Herbstzeit ist Pilzzeit! Ich liebe Pilze!
Es sind so absolut außergewöhnliche Lebewesen!
Wusstet Ihr, dass der eigentliche Pilz ein weitverzweigtes Geflecht unter der Erde ist, das sogenannte Myzel?
Das, was wir Pilze nennen, sind nur die oberirdischen Fruchtkörper, so wie die Äpfel nicht der gesamte Apfelbaum sind.
Übrigens lassen sich Pilze eher den Tieren zuordnen, als den Pflanzen.
Ja –, Ihr habt richtig gelesen!
Sie betreiben nämlich keine Photosynthese, nehmen organische Nährstoffe in flüssiger Form zu sich und besitzen Zellwände aus Chitin, welches nur im Tier-, aber nicht im Pflanzenreich vorkommt.
Pilze bilden ein eigenes Reich – zwischen Tier und Pflanze.
Ein Reich der Wunder, in dem es z.B. keine Gebundenheit an Tag und Nacht gibt, wie bei anderen Lebewesen.
Es ist eine Märchenwelt. Schön und gefährlich zugleich.
Als Kind bin ich oft mit meinem Großvater in den Wald gegangen, um Pilze zu suchen.
Er kannte die geheimen Stellen und wusste essbare Pilze von ihren giftigen Doppelgängern zu unterscheiden.
Der Knollenblätterpilz sieht aus wie ein Champignon und ist doch tödlich giftig! Man erkennt ihn an seinen weißen Lamellen nur an der Knolle, aus der er wächst, die sich aber unter der Erde befindet und leicht übersehen werden kann.
Auch Rauschpilze gibt es in dieser Zauberwelt, wie die kleinen ‚magic mushrooms‘, die den psychoaktiven Wirkstoff Psilocybin enthalten.
Der schönste und bekannteste Rauschpilz ist jedoch der Fliegenpilz. Weithin leuchtet sein roter Hut mit den weißen Tupfen.
Aber woher hat der Fliegenpilz wohl seinen Namen?
Da gehen die Meinungen auseinander.
Die einen sagen, weil er früher zur Herstellung einer Fliegenfalle benutzt wurde. Dazu legte man kleine Pilzstückchen in gezuckerte Milch und hoffte, dass die Fliegen durch das Trinken der süßen aber jetzt durch den Pilz vergifteten, Milch verenden. Vielleicht taten das auch einige – andere hatten einfach ein außergewöhnliches Drogenerlebnis.
Und da wären wir schon bei der zweiten Namensdeutung:
Die halluzinogene Wirkung des Fliegenpilzes soll nämlich u.a. Flugerlebnisse hervorbringen; dann käme der Wortstamm ‚Fliegen‘ nicht vom Tier ‚Fliege‘, sondern vom Verb ‚fliegen‘.
Auch in den spätmittelalterlichen Hexen- oder Flugsalben soll, neben verschiedenen Nachtschattengewächsen, Fliegenpilz dazu beigetragen haben, die Halluzination des Fliegens zu erzeugen.
Eine Rauscherfahrung nach dem Genuss von Fliegenpilz wird anschaulich in der Erzählung ‚Alice im Wunderland‘ von Lewis Carroll beschrieben, als Alice mal größer, mal kleiner wird, d.h. ihre Körperwahrnehmung sich radikal verändert, je nachdem, von welcher Seite des Pilzes sie isst. Naja, die Wasserpfeife rauchende Raupe hat ihr geraten, ein bisschen zu experimentieren…
Wie überall kommt es auf die richtige Dosierung an.
Originalzeichnung
von Lewis Carroll aus
‚Alice im Wunderland‘
Nichtsdestotrotz gelten Fliegenpilze in unseren Breiten als Glückssymbole. Besonders zum Jahreswechsel sieht man sie überall als dekorative Figuren und als Abbildungen auf Glückwunschkarten.
Kommt der Weihnachtsmann nicht auf einem von Rentieren gezogenen Schlitten aus dem hohen Norden, dem Land der skandinavischen und sibirischen Schamanen, angeflogen?
Vielleicht braucht er dafür die Unterstützung eines halluzinogenen Fliegenpilzes? Rentiere jedenfalls sind angeblich beobachtet worden, wie sie im Schnee mit den Hufen nach diesem Rauschmittel scharren.
Nun – allein beim Anblick eines herrlichen Fliegenpilzes fliegt mein Geist in Märchenländer. Danach kehrt er sanft zurück, um das Erlebte zu zeichnen und aufzuschreiben.
Heute Abend habe ich übrigens ein wahnsinnig gutes Pilzrisotto gegessen – mit Trüffel!
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